Konzert: „John Williams – Filmmusik“ – Berliner Philharmoniker – 15.10.2021

Besprechung von Markus Guggenberger

Konzert: „John Williams – Filmmusik“

Musik von John Williams

Musikalische Leitung: John Williams
Orchester: Berliner Philharmoniker
Violoncello: Bruno Delepelaire

Am 15. Oktober 2021 steht mit dem Konzert „John Williams – Filmmusik“ ein besonderer wie exzeptioneller Höhepunkt auf Spielplan der Berliner Philharmoniker. Kein Geringerer als die Filmmusikkomponisten-Legende John Williams selbst betritt in dieser Konzertserie zum ersten Mal das Pult dieses Weltklasseorchesters und gibt damit sein langerwartetes Dirigenten-Debüt. Auf dem Programm stehen einige der berühmtesten Filmmusikkompositionen aus dem umfangreichen Schaffen John Williams‘ wie auch seine 1997 komponierte, sechsminütige „Elegy“ für Violoncello. Für den solistischen Part konnte Bruno Delepelaire gewonnen werden, der den Berliner Philharmonikern seit 2013 als erfahrenes Orchestermitglied angehört und dort als Erster Solocellist tätig ist. Mit seinen grandiosen, populären Soundtracks und seinen unverwechselbar filmcharakteristischen Themes gelang es John Williams über Jahrzehnte hinweg eine Brücke zwischen der klassischen Spätromantik des frühen 20. Jahrhunderts und der Neuen Musik der Gegenwart zu schlagen. Als Komponist für die begleitende wie untermalende Musik von insgesamt acht der zwanzig erfolgreichsten US-Filme aller Zeiten gehört John Williams zu jenen Stars der Film(musik)-Szene, ohne die die Welt des Kinos eine andere wäre. Um die in diesem Konzert zur Aufführung gebrachten Meisterwerke der Filmmusikkomposition musikologisch und biografisch besser verstehen und einordnen zu können, sei an dieser Stelle ein Blick in John Williams‘ Werdegang gewagt.

Programm

1) „Olympic Fanfare and Theme“ für die Olympischen Sommerspiele 1994 in Los Angeles
2) Auszüge aus der Filmmusik zu „Close Encounters of the Third Kind“ (1977)
3) Suite aus der Filmmusik zu „Far and Away“ (1992)
4) Aus der Filmmusik zu „Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ (2001): „Hedwig’s Theme“, „Nimbus 2000“, „Harry’s Wondrous World“
5) Aus der Filmmusik zu „Jurassic Park“ (1993): „Theme“
6) Aus der Filmmusik zu „Superman“ (1978): „Superman March“
7) Aus der Filmmusik zu „Indiana Jones and the Last Crusade“ (1989): „Scherzo for Motorcycle and Orchestra“
8) Aus der Filmmusik zu „Indiana Jones: Raiders of the Lost Ark“ (1981): „Marion’s Theme“, „The Raiders March“
9) „Elegy für Violoncello and Orchestra“ (1997/2001)
10) Aus der Filmmusik zu „Solo: A Star Wars Story“ (2018): „The Adventures of Han“
11) Aus der Filmmusik zu „Star Wars: Episode V – The Empire Strikes Back“ (1980): „Yoda’s Theme“
12) Aus der Filmmusik zu „Star Wars: Episode IV – A New Hope“ (1977): „Throne Room and End Title“

Dass es sich bei dem US-Amerikaner John Williams um den bedeutendsten und erfolgreichsten Filmkomponisten aller Zeiten handelt, zeigen nicht nur seine zahlreichen Nominierungen für die „Beste Filmmusik“, sondern auch die tatsächlichen Gewinne der renommiertesten Filmpreise der Welt: Fünf Oscars, 22 Grammy Awards, sieben British Academy Film Awards, vier Golden Globes und fünf Emmy Awards krönen das kompositorische Gesamtopus John Williams‘, das an Virtuosität,  Klangschönheit und einvernehmender Spannungsdramaturgie wohl nicht zu überbieten sein dürfte. Doch der Lohn, den John Williams für seine unermüdliche Arbeit einfuhr, war keine Selbstverständlichkeit. Dass er einmal der bekannteste Filmkomponist der Welt werden würde, konnten weder er noch seinen Eltern geahnt haben. John Williams wurde 1932 in Flushing/New York als Sohn eines Jazzmusik-Schlagzeugers geboren. Auf sein musikalisches Talent wurden die Eltern bereits in seinen Kindertagen aufmerksam, da sich Williams mit drei Jahren selbst das Notenlesen beibrachte und auch schon früh mit dem Klavierspiel und vor allem dem Komponieren begann. Als Jugendlicher zog die Familie Williams nach Los Angeles, wo John die North Hollywood High School besuchte, danach an die University of California und auf das Los Angeles City College ging. Während seiner Schul- und Studienzeit nahm Williams private Stunden im Fach Komposition bei dem 1939 emigrierten italienischen Komponisten und Pianisten Mario Castelnuovo-Tedesco, der selbst ein nicht zu verachtender Filmkomponist war. Zu dessen erfolgreichsten Arbeiten zählten u.a. die Filme „The Return of the Vampire“ (1943) sowie „And Then There Were None“ (1945). Nach seiner Zeit bei der US Air Force, wo sich Williams u.a. auch als Dirigent des Musikkorps hervortat, kehrte er zurück nach New York. Dort besuchte er die Juilliard School, an der er bei Rosina Lhévinne Klavier studierte. Nebenbei verdiente er sich in Manhattaner Bars als Jazz-Pianist seinen Lebensunterhalt. Mit 24 Jahren kam John Williams als Studiopianist zum „Film“. So arbeitete er für die damals sehr einflussreichen amerikanischen TV- und Filmproduktionsfirmen „Columbia Pictures Industries Inc“. und „20th Century Fox“ und spielte dabei das Piano in legendären Filmen wie „Some like it hot“ von Billy Wilder, „The Magnificent Seven“ von John Sturges und „Breakfast at Tiffany’s“ von Blake Edwards. In den Filmstudios war er nicht nur als Pianist tätig, sondern orchestrierte auch musikalische Entwürfe diverser Kollegen und komponierte eigene Musik für bekannte TV-Serien. Da man in den Filmstudios auf sein Talent aufmerksam wurde, bekam Williams eine enorme Anzahl an Kompositionsaufträgen für das Fernsehen, sodass er pro Jahr rund 40 Scores zu Papier brachte. Erste internationale Aufmerksamkeit erregte John Williams 1962 mit der ersten Grammy-Nominierung für den jazzigen Soundtrack „Checkmate“. 1968 erhielt er für seine Filmmusik zu „Valley of the Dolls“ dann die erste von bis heute 52 Oscar-Nominierungen. Seinen großen Durchbruch erlebte er 1971, als er für seine musikalische Adaption von „Anatevka“ für die Kinoleinwand seinen ersten Oscar gewann. Nur ein Jahr später erhielt er den Oscar dann auch für eine eigene Komposition, nämlich für die Filmmusik zu „The Poseidon Adventure“. Endgültig in die allererste Liga katapultierten ihn drei Jahre später die Filmmusiken zu Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ („Jaws“), 1977 die zu „Star Wars“ sowie 1982 die Soundtracks zu „E.T.“. Zu Beginn der achtziger Jahre war John Williams auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen, die bis heute anhält. Für die Musikologie sind besonders die „Star Wars“-Filme von großem Interesse, da man hier deutlich erkennt, dass Williams von Kompositionen Richard Wagners und Piotr Tschaikowskys inspiriert war. Die Leitmotiv-Technik, welche mit Wagner assoziiert wird, ist in Williams Stücken klar und deutlich herauszuhören. Das Stilmittel zeichnet sich dadurch aus, dass jedem Hauptcharakter eine eigene musikalische Stimme verliehen wird. Williams besitzt die herausragende Fähigkeit, Filmcharaktere musikalisch zu erfassen und dabei unverwechselbare Melodien, Themes und Motive zu kreieren. Wie kein Zweiter hat es Williams geschafft, klassische Musik und Film zu vereinen. Dabei leistete er sogar Pionierarbeit. So war er der Erste, der ganze Symphonieorchester in seine Filmmusik integrierte. Williams komponierte in den folgenden Jahren für die größten und bedeutendsten Regisseure Hollywoods. Zu seinen bekanntesten Erfolgen in dieser Zeit zählen „Superman“ (1978), „Raiders of the Lost Ark“ (1981) sowie auch die späteren „Indianer Jones“-Filme. Es folgten „Empire of the Sun“ (1987), „Jurassic Park“ (1993), „Schindler‘s List“ (1993) und das epische Weltkriegsdrama „Saving Private Ryan“ (1998). Im neuen Jahrtausend komponierte Williams die Filmmusik der ersten drei „Harry Potter“-Filme, „Memoirs of a Geisha“ (2006) und „Lincoln“ (2012). Im Jahre 2003 wurde er mit einem Stern auf dem berühmten „Walk of Fame“ des Hollywood Boulevards geehrt.

Dirigat und Orchester
Wie so oft, wenn zeitgenössische, noch lebende Komponisten ihr eigens Opus dirigieren, präsentieren sich die Berliner Philharmoniker in orchestraler Höchstform – sie zollen dem Meister mit klanglicher Brillanz ihren Respekt und bezeugen damit ihre unüberhörbare Bewunderung. Dass dieses Phänomen auch bei Filmmusiklegende John Williams zu vernehmen ist, dürfte wohl kaum verwunderlich sein – hat John Williams die Welt der Filmmusik geprägt wie kaum ein zweiter. Dass die Berliner Philharmoniker aber mit einer derartig virtuosen Kunstfertigkeit aufwarten und den Klang der Soundtracks der berühmtesten Filmklassiker John Williams‘ auf einem solch unfassbar hohen Niveau darzubieten imstande sind, hätte man als versierter Klassik-Kenner nicht im Ansatz vermutet. In puncto orchestraler Exzellenz erinnert die Klangqualität der Philharmoniker an alte Zeiten wie sie zuletzt nur unter Herbert von Karajan und Claudio Abbado zu vernehmen war. Der Konzertabend ist in seiner Gesamtheit auch deshalb als künstlerische Sternstunde zu bezeichnen, da die Berliner Philharmoniker – im Vergleich zu vielen Mittelklasse- oder Laien-Orchestern – dem Intonationscharakter eines strahlenden US-Hollywood-Films am nächsten kommen und über den notwendigen „amerikanischen Ton“ verfügen. Besonders hervorzuheben ist dabei das exquisit disponierte Blechbläser-Ensemble, das den für Williams so typischen filmmusikalischen Heroismus in Perfektion und punktgenauer Akkuratesse versinnbildlicht. John Williams selbst dirigiert den Klangkörper mit unüberhörbarem Scharfsinn und Detailversessenheit, aber dennoch imponiert auch eine legere Souveränität, die es dem Publikum ermöglicht, sich auf die verschiedenen Soundtracks auch emotional einzulassen. Dass die Themes und Hymnen der populären Filmklassiker „Indiana Jones“, „Superman“, „Harry Potter“ und „Star Wars“ die Zuhörer*innen in der Philharmonie in Begeisterungsstürme versetzen wird, ist vorauszusehen gewesen – dass es John Williams aber gelingt, das Publikum auch mit eindeutig unbekannteren Filmmusik-Sequenzen, wie z.B. bei „Far and Away“, derart zu berühren, zeugt von dessen Talent, die Hörer*innen auch musik- und spannungsdramaturgisch ansprechen zu können, auch wenn diesen das zugehörige Filmmaterial unbekannt zu sein scheint. Besondere Erwähnung finden muss an dieser Stelle neben einer überaus atonal-modernen und zugleich ungemein heldisch anmutenden Exegese von „Close Encounters of the Third Kind“ auch die von Williams 1997 komponierte „Elegy“ für Violoncello, deren Interpretation von Bruno Delepelaire einen unglaublich sentimental traurigen sowie melancholisch-sensiblen Klang-Charakter offenbart. Als Zuhörer*in kann man nur dankbar und glücklich sein, Teil dieses atemberaubenden und einzigarten Konzertabends gewesen zu sein! Mit größter Bewunderung und herzlichem Dank an John Williams! Bravo!

© Markus Guggenberger

Titelbild: http://www.berliner-philharmoniker.de – Pressemappe (John Williams, Berliner Philharmoniker) / Photo-©: Stephan Rabold (Permission: Pressestelle Berliner Philharmoniker)
Besetzungszettel liegt im Original vor.

Abb.1: http://www.berliner-philharmoniker.de – Pressemappe (John Williams) / Photo-©: Stephan Rabold (Permission: Pressestelle Berliner Philharmoniker)
Abb.2: http://www.berliner-philharmoniker.de – Pressemappe (John Williams, Bruno Delepelaire) / Photo-©: Stephan Rabold (Permission: Pressestelle Berliner Philharmoniker)
Abb.3: http://www.berliner-philharmoniker.de – Pressemappe (John Williams) / Photo-©: Stephan Rabold (Permission: Pressestelle Berliner Philharmoniker)

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